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Konferenz diskutiert Milliardenkosten der Anpassung an den Klimawandel

Wie wirkt sich der Klimawandel auf die deutsche Volkswirtschaft aus? Diese Frage diskutierten rund 80 Expert/innen aus Wissenschaft und Praxis am 17. März 2015 in Berlin auf der Tagung „Ökonomie der Anpassung an den Klimawandel in Deutschland“. Das Forschungsprojekt econCCadapt des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung, der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung und der Humboldt-Universität zu Berlin hatte zu der Konferenz eingeladen und stellte dort seine Ergebnisse vor. Mit Hilfe eines makroökonometrischen Modells haben die Expert/innen die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf die deutsche Wirtschaft für die Zeitspanne von 2011 bis 2050 auf jährlich zwischen 3 und 18 Milliarden Euro geschätzt. Ausschlaggebend für diese Schwankungen sind vor allem Extremereignisse, wie Hochwasser, Stürme oder Hitzewellen, die bereits in den nächsten Jahrzehnten häufiger auftreten könnten.

In Deutschland überwiegen negative wirtschaftliche Auswirkungen des Klimawandels

„Der Klimawandel wird sich in Deutschland voraussichtlich vor allem in Form höherer Temperaturen, extremerer Wind- und Niederschlagsereignisse sowie eines steigenden Meeresspiegels bemerkbar machen. Neben wenigen wirtschaftlich möglicherweise positiv wirkenden Veränderungen, wie einem Wachstum des Küstentourismus und weniger strengen Wintern, überwiegen mindestens in der langen Frist – ab der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts– voraussichtlich die negativen Wirkungen“, erläutert IÖW-Klimawandelexperte Dr. Jesko Hirschfeld. Weiterhin können höhere Sommertemperaturen den Hitzestress insbesondere in den Städten erhöhen und zu vermehrten Gesundheitsproblemen und einer höheren Zahl von Hitzetoten führen. Extreme Niederschlagsereignisse können neben lokal begrenzten Überflutungen auch zu häufigeren Flusshochwassern führen, die in weiten Landstrichen große Schäden anrichten können. Häufigere und extremere Sturmereignisse können vermehrte Schäden an Infrastrukturen, Gewerbe- und Wohngebäuden verursachen.

Langfristig wird der Meeresspiegelanstieg zu höheren Kosten führen

Der steigende Meeresspiegel erhöht dauerhaft die Gefährdung der Flächennutzungen an der Nord- und Ostseeküste. „In der Zukunft werden wir uns noch öfter fragen müssen, wie und ob wir die deutsche Küstenlandschaft in heutiger Ausprägung dauerhaft werden schützen können“, so Hirschfeld auf der Tagung. Durch den Anstieg des Meeresspiegels können auf die deutschen Küstenregionen langfristig sehr hohe Kosten zukommen, wenn bisherige Ansätze des Küstenschutzes zur Sicherung der bestehenden küstennahen Landwirtschafts-, Siedlungs- und Gewerbeflächen nicht mehr ausreichen sollten und Optionen eines Rückzugs aus überflutungsgefährdeten Gebieten in Erwägung gezogen werden müssten. Für solche Fälle würden dann neben höheren Anpassungskosten auch massive Eingriffe in soziale und wirtschaftliche Strukturen entstehen.

Klimawandel kostet nicht nur Geld, sondern auch Lebensqualität

„Um die gesellschaftlichen Vor- und Nachteile von Klimaanpassungsmaßnahmen aus gesellschaftlicher Sicht vollständig zu bewerten, reicht es nicht aus, einfach nur die direkten monetären Kosten und Nutzen gegenüberzustellen“, so Hirschfeld. „In unserem Projekt zeigen wir, dass bestimmte Anpassungsalternativen plötzlich in einem ganz anderen Licht erscheinen, wenn die Bewertungen um Wirkungen auf Lebenszufriedenheit und Grundbefähigungen, auch ‚Capabilities‘ genannt, erweitert werden. Werden diese berücksichtigt, kann sich dann etwa die Bewertung des Einbaus von Klimaanlagen zugunsten einer Ausweitung städtischer Grünflächen ändern, um sich besser an vermehrte Hitzeereignisse anzupassen.

Institutioneller Rahmen auf kommunaler Ebene hemmt Klimaanpassung

Auch die Verfasstheit staatlicher Institutionen, gesellschaftliche Normen oder gewohnheitsmäßige Verhaltensmuster können Hemmnisse für klimapolitisches Handeln darstellen. Die Untersuchungen des Forschungsprojektes zeigten, dass eine integrierte, sektorenübergreifende Berücksichtigung des Klimawandels in der behördlichen Praxis bislang alles andere als selbstverständlich ist. Abstimmungsprozesse innerhalb von Kommunalverwaltungen finden zwar durchaus bereits statt, eine umfassende Anpassung an die Folgen des Klimawandels stellt allerdings komplexe Anforderungen an die verschiedenen Zuständigkeitsbereiche innerhalb der Kommunalverwaltungen. Das bisher erreichte Ausmaß an Koordination und Abstimmung innerhalb der Verwaltungsstrukturen wird dem häufig noch nicht gerecht.

Forschungsagenda Klimaökonomie

Im gemeinsamen Fazit und Ausblick der Tagung benannten die Teilnehmer/innen Eckpunkte einer Forschungsagenda der Klimaökonomie: Modelle der Klimaökonomie sollten für die jeweils „richtige Flughöhe“ weiterentwickelt werden. Da die Handlungs- und Entscheidungsebene für Anpassungsmaßnahmen in erster Linie auf kommunaler und regionaler Ebene liegt, müssten entsprechend regionalisierte Modelle sowohl von naturwissenschaftlicher als auch von ökonomischer Seite weiterentwickelt und verknüpft werden. Als methodische Herausforderung wird dabei die Integration dieser räumlich und sektoral disaggregierten Modelle mit nationalen und auch globalen Modellen gesehen. Akteure aus der Praxis fragen häufig nach der Glaubwürdigkeit der Annahmen und der Verlässlichkeit der Ergebnisse ökonomischer Modellierungen, insbesondere was den Blick in die weiter entfernte Zukunft angeht. Hierzu könnten einerseits eine transparente Modelldokumentation sowie andererseits der parallele Einsatz verschiedener Modelle und Modellierungsmethoden nach dem Vorbild der „Ensemblemodellierung“ der naturwissenschaftlichen Klimamodellierung beitragen. Die im Rahmen des FONA-Schwerpunktes „Ökonomie des Klimawandels“ entwickelte und durch die Begleitforschung weiter zusammengeführte Forschungs-Community böte hierzu ein vielversprechendes Potenzial, das jedoch nur dann optimal ausgeschöpft werden kann, wenn die angestoßenen Arbeiten durch eine möglichst zeitnah anschließende Förderinitiative in dieser Richtung zielgerichtet weitergeführt werden könnten.

Auf dem Gebiet der Bewertung wurde deutlich, dass eine Orientierung an dem Bruttoinlandsprodukt als alleinigem Wohlfahrtsindikator zu kurz gegriffen wäre. Ergänzende Wohlfahrtsmaße, wie Lebenszufriedenheit, Capabilities oder auch die Auswirkungen auf Ökosystemleistungen könnten zu einer besseren Abbildung der gesellschaftlichen Wirkungen von Klimawandel und Klimaanpassungsstrategien beitragen. Diese vielversprechenden Ansätze haben jedoch häufig mit noch unzureichenden Datengrundlagen zu kämpfen und sollten in Zukunft weiterentwickelt werden.

Die vom Projekt econCCadapt angestoßene Verknüpfung von Modellierung, Bewertung und institutioneller Analyse könnte und sollte weiter vertieft werden, um besser als bisher sicherzustellen, dass die ökonomische Forschung einerseits praxisrelevante Fragen aufnimmt und andererseits ihre Ergebnisse glaubhaft und handlungsrelevant in die klimapolitische Praxis vor Ort vermitteln kann.

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