Liebe Leser*innen,

alle Jahre wieder kommt bei uns die Systemfrage auf den Tisch. Letzte Woche, wenige Tage nach dem dürftigen Ergebnis der COP27, war es mal wieder soweit: Bei der Tagung Ausgewachsen – Wirtschaften als gäbe es ein Morgen diskutierten wir über Wege aus der Polykrise der Gegenwart.

Wie kommen wir raus aus den sich gegenseitig aufschaukelnden Krisen – von Corona und seinen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, über geopolitische Spannungen, Inflation und Finanzmarktkrisen bis hin zu Klimaerwärmung und Biodiversitätsverlusten? Unsere ganz klare Empfehlung: Postwachstum, dezentralere Strukturen, Suffizienz. Denn ob Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch hinreichend entkoppelt werden können, ist mehr als ungewiss (siehe Grafik).

Fremdeln auch Sie so wie wir mit Elon Musk und den Kapriolen, in die er die Mikroblogging-Plattform Twitter gestürzt hat? Wir bauen daher nebenbei unsere Präsenz bei Mastodon auf. Schauen Sie doch mal vorbei: mastodon.social/@ioew.

Ich wünsche Ihnen eine besinnliche Adventszeit,
Ihr Richard Harnisch
Leiter Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation

Aktuelles aus dem IÖW

Die Welt im Krisenmodus: Warum es jetzt eine Postwachstumsstrategie braucht

1972 veröffentlichte der Club of Rome seinen ersten Bericht zu den „Grenzen des Wachstums“. Auch 50 Jahre später ist die Menschheit vom Leben innerhalb der planetaren Grenzen noch weit entfernt. Auf der Tagung „Ausgewachsen – Wirtschaften als gäbe es ein Morgen“ am 23. November 2022 (Berlin/online) diskutierten das IÖW und die VÖW, wie die Gesellschaft wachstumsunabhängiger werden kann. 

Volkswirt Ulrich Petschow vom IÖW betonte in seiner Grundsatzrede: „Mehrere miteinander verwobene Krisen erschüttern Wirtschaft und Gesellschaft. Die Klimaerwärmung verschärft sich und löst immer mehr Folgekrisen aus. Wir brauchen jetzt eine Postwachstumsstrategie. Angesichts beispielloser klimatischer Extreme in diesem Jahr erkennen immer mehr Institutionen, dass Klima- und Artenschutz einen sozial-ökologischen Systemwechsel erfordern.“ Die Tagung warb dafür, unterschiedliche wachstumskritische Diskurse – etwa Debatten um Postwachstum, Degrowth und Suffizienz – konstruktiv zusammenzuführen und gemeinsam in die Gesellschaft hineinzuwirken.

Tagung verpasst? Hier gibt's die Dokumentation und den Video-Mitschnitt 
Zur Pressemitteilung

Studie: Wie Städte mit grünem Strom eigenes Gas erzeugen können

Das Prinzip ‚Upcycling‘ eignet sich nicht nur für ausrangierte Kleidung, Geräte oder Möbel, sondern auch für die Gasversorgung, wie Forschende vom IÖW vorschlagen: Städte könnten Abfallprodukte aus der Industrie und aus Kläranlagen weiternutzen, um daraus mithilfe von erneuerbarem Strom nachhaltiges Gas zu gewinnen. Zwar können Städte so nur einen kleinen Teil ihres Gasbedarfes selbst decken, doch hätte die urbane Gasproduktion deutliche ökologische sowie wirtschaftliche Vorteile und könnte Gasimporte ergänzen. Das zeigen die Forschenden am Beispiel Berlins in einem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderten Projekt.

Bisher beruht etwa ein Viertel der in Deutschland verbrauchten Primärenergie auf Erdgas. „Um in Berlin und auch in ganz Deutschland so schnell wie möglich klimaneutral zu werden und mehr Versorgungssicherheit zu erreichen, müssen wir den Absprung vom Erdgas schaffen“, erklärt Elisa Dunkelberg, Energieexpertin am IÖW. „Dafür ist es wichtig, den Gasverbrauch für Wärme, Stromproduktion und Industrie so weit wie möglich zu senken. Und dort, wo Gas nicht ersetzbar ist, sollten in Zukunft vor allem grüner Wasserstoff und synthetisches Methan genutzt werden.“

Zur Pressemitteilung

„Bundesforschungsministerium sollte Zukunftsstrategie nachjustieren“

Führende Institute aus der Nachhaltigkeits- und Zukunftsforschung begrüßen die Entwicklung einer „Zukunftsstrategie Forschung und Innovation“ des Bundesforschungsministeriums. Gleichwohl weisen die Mitgliedsinstitute des Ecological Research Network (Ecornet) darauf hin, dass der vorgelegte Entwurf den gesellschaftlichen Herausforderungen und dem notwendigen Handlungsdruck noch nicht vollständig gerecht wird. Die Minderung der Klimakrise, der Schutz von Biodiversität, sozialer Zusammenhalt und Teilhabe, Daseinsvorsorge sowie globale Gerechtigkeit erfordern weit mehr als technisch-ökonomische Antworten. Die Institute empfehlen dem BMBF daher, die Schwerpunktsetzung der Strategie nachzubessern.

„Die Zukunftsstrategie sollte stärker auf Innovationen fokussieren, die zur Lösung aktueller und zukünftiger gesellschaftlicher Herausforderungen beitragen. Denn nicht jede Innovation ist auch ein Fortschritt. Dafür sollte die Strategie konsequent an der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie und den Anforderungen des Pariser Klimaschutzabkommens ausgerichtet sein“, sagte Ecornet-Sprecher Thomas Korbun, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des IÖW. „Der Entwurf der Strategie sollte dem innovativen Potenzial von Zivilgesellschaft, öffentlichen Institutionen oder Nutzer*innen stärkeres Gewicht geben. Denn Innovationen entstehen nicht nur in Wissenschaft und Wirtschaft.“

Zur Pressemitteilung

Mieterstrom: Berlin muss handeln, um Solarziele zu erreichen

Um klimaneutral zu werden, hat sich das Land Berlin beim Ausbau von Solaranlagen viel vorgenommen. Ihre Solarziele kann die Mieterstadt Berlin nur mit den Dächern von Mehrfamilienhäusern erreichen. Doch noch gibt es wenige Photovoltaikanlagen auf Mietshäusern in der Hauptstadt. Rund 15 Megawatt Leistung sind erst mit dem Konzept Mieterstrom installiert, einem Modell zur Versorgung von Mieter*innen mit Solarstrom vom Dach. Das Potenzial davon ist rund hundertmal so hoch.

Wie die Politik jetzt nachjustieren muss, damit Mieterstrom durchstarten kann, zeigen das IÖW und das Ecologic Institut in zwei Politikpapieren. Insbesondere müsse der Betrieb von Mieterstromanlagen einfacher und wirtschaftlich werden, fordern die Wissenschaftler*innen in dem Projekt „StromNachbarn“ des Forschungsverbunds Ecornet Berlin.

Weiterlesen...

Neuerscheinung: Wie Reparieren und Selbermachen die Beziehung zur Welt verändern

Reparieren ist en vogue. Während im Wochentakt neue Repair Cafés eröffnet werden, dringt die Initiative „Schraube locker!?“ mit ihrer Forderung für ein Recht auf Reparatur bis zur Europäischen Union vor. Ist dies die Renaissance einer verloren geglaubten Kulturtechnik oder lediglich ein kurzlebiger Hype? In dem Buch „Verhältnisse Reparieren“ tauchen die Forscherinnen Melanie Jaeger-Erben und Sabine Hielscher in die Welt der Laien-Reparatur und des Do-it-Yourself ein. Vor allem geht es den beiden Autorinnen um eines: zu beschreiben, wie das Reparieren und Selbermachen sich positiv auf die Identität auswirken kann und zudem die sozialen Beziehungen sowie das gestörte Verhältnis von Mensch und Umwelt verbessert.

Weiterlesen...

ARL-Positionspapier: Ökosystemleistungen in der räumlichen Planung einsetzen

Das Konzept der Ökosystemleistungen bietet eine Möglichkeit, um Natur und Landschaft zu schützen und nachhaltig zu nutzen. In Planungsprozessen kann es genutzt werden, um die Leistungen des Naturhaushaltes sichtbar zu machen, zu bewerten und gegenüber anderen Interessen abzuwägen. So kann es zu transparenteren Grundlagen für Entscheidungen beitragen. Das Positionspapier „Ökosystemleistungen in der räumlichen Planung einsetzen“ der Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft (ARL) verdeutlicht anhand von zehn Thesen, wie das Konzept genutzt werden kann, um die Umsetzung und Wirkung der Planungen im Sinne des Ressourcenschutzes zu verbessern. Wissenschaftlerin Dr. Alexandra Dehnhardt, Themenkoordinatorin „Wasser- und Landmanagement“ am IÖW, engagiert sich im Arbeitskreis „Ökosystemleistungen in der räumlichen Planung“ der ARL und hat diese Empfehlungen miterarbeitet.

Weiterlesen
► Zum kostenlosen Download

Medienschau: Drei Podcastempfehlungen zu Smart Home, Wasserstoff und Heizen mit Holz

Bis zu 12 Prozent des globalen Strombedarfs fließen heute in digitale Geräte, Tendenz steigend. Wird die Vision des SmartHome zu großen Energieeinsparungen führen? Nein, das Energiespar-Potenzial ist gering, erklärt Energieforscherin Swantje Gährs im DLF-Beitrag.
Zum Podcast: „Droht der Stromkollaps durchs Internet?“ mit Swantje Gährs

Das Thema Wasserstoff ist heutzutage in aller Munde. Verständlich, denn er ist ein zentraler Baustein der Energiewende. Während in der Theorie schon vieles gesetzt scheint, fehlen in der Praxis noch klare Prioritäten für die Nutzung. Tauchen Sie ein in die massiven Herausforderungen des Wasserstoffs – mit Florian Kern vom IÖW im myenergy2050-Podcast.
Zum Podcast: „The Massive Challenge of Hydrogen“ mit Florian Kern

„Feuer & Flamme für den Ofen: Wohin führt der Holz-Weg?“, fragt der Hessische Rundfunk im Podcast. Darin sagt IÖW-Energieexpertin Julika Weiß deutlich: Holz ist nicht die Lösung, es wird für andere Zwecke gebraucht als in Kaminen und Öfen.
Zum Podcast: „Feuer und Flamme für den Ofen: Wohin führt der Holz-Weg?“ mit Julika Weiß

ÖKOLOGISCHES WIRTSCHAFTEN

Kultur und Nachhaltigkeit – Neue Ausgabe »Ökologisches Wirtschaften«

In Berlin sorgt das geplante „Museum für die Kunst des 20. Jahrhunderts“ für Kontroversen: Der Neubau wird für Klimatisierung, Beleuchtung und Heizung überdurchschnittlich viel Energie verschlingen. Dabei könnten Kulturinstitutionen Multiplikator*innen für Nachhaltigkeit auf lokaler und globaler Ebene sein, wie die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift Ökologisches Wirtschaften betont. Als „dritter Ort“ mit engen gesellschaftlichen Verflechtungen könnten sie die Transformation zu Klimaschutz und zum „guten Leben“ unterstützen. Doch dafür muss die Kulturwirtschaft bereit sein, von dem reichen Erfahrungsschatz aus anderen Branchen zu lernen. Der Schwerpunkt des Heftes überträgt Instrumente aus dem Nachhaltigkeitsdiskurs auf den Kultursektor und fragt, welche Chancen sich für Kulturbetrieb ergeben.

Weiterlesen...

Blog Postwachstum

Vergesellschaftung als Antwort auf die Krisen?

Während sich die Klimakrise weiter zuspitzt und die Zeit zum Handeln schrumpft, sieht Markus Wissen in Vergesellschaftungen eine Möglichkeit, radikaldemokratisch verschiedenen Fehlentwicklungen entgegenzuwirken. Simon Sutterlütti beschäftigt sich mit dem von der Journalistin Ulrike Herrmann postulierten „notwendigen Ende des Kapitalismus“ und fragt, ob Reformismus nicht den Kapitalismus romantisiert und stabilisiert. In einem zweiten Artikel zu „Planwirtschaft 2.0“ diskutiert er Lehren des 20. Jahrhunderts und reflektiert drei sozial-ökologische Bewegungen, die Alternativen zum Kapitalismus formulieren.

Wie lässt sich mit politischem „Wumms“ die digitale Suffizienz fördern? Antworten hierauf gibt Maike Gossen. Eva Borchard widmet sich in einer Rezension dem Buch von Harald Lesch et al., das sich mit der zu überwindenden Zeit-ist-Geld-Logik befasst.

► www.postwachstum.de

Sie möchten keinen Beitrag mehr zum Thema Postwachstum verpassen? Abonnieren Sie unseren Newsletter.

Aus dem IÖW

Neu am IÖW: Tidian Baerens

Seit November 2022 arbeitet Tidian Baerens als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am IÖW. Der Nachaltigkeitswissenschaftler beschäftigt sich sowohl mit den sozialen als auch mit den ökonomischen Fragestellungen der Wärmewende. So forscht er unter anderem zum Rollout der mitteltiefen Geothermie in Deutschland (Projekt „Warm-Up“) und arbeitet im Team des Projekts Suburbane Wärmewende 2, das die Umsetzung eines Konversionsprozesses in einem Quartier begleitet.

Mehr zu Tidian Baerens | ► E-Mail an Tidian Baerens

Join our Team: Mitarbeiter*in (m/w/d) gesucht

Neues Jahr, neue Arbeitsstelle? Für unser Team in Berlin suchen wir Unterstützung und haben derzeit zwei Stellen ausgeschrieben:

  • Assistenz Personal und Weiterbildungen
  • Mitarbeiter*in Projekt- und Finanzcontrolling

www.ioew.de/jobs

Aus dem IÖW-Netzwerk

Die Macht der öffentlichen Beschaffung – IÖW-Gesellschafterin Ria Müller auf Kongress des Deutschen Nachhaltigkeitspreises

Foto: Susanne Lohsert (dasfotoatelier.de)

Das Potenzial ist enorm: 100 Milliarden an Auftragsvolumen vergeben die Kommunen jedes Jahr – das ist die Hälfte der Beschaffung von Bund, Länder und Gemeinden in Deutschland zusammen. Doch wie sehr nutzen Kommunen diese Einkaufsmacht für mehr Nachhaltigkeit? Wie können sie mehr ökologische und soziale Kriterien durchsetzen? Warum gibt es noch eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei der nachhaltigen öffentlichen Beschaffung und wie kann sie geschlossen werden? Welches sind die kommunalen Vorbilder?

Diese Fragen werden auf dem Kongress des Deutschen Nachhaltigkeitspreises am 1. Dezember 2022 im Dialogforum Milliarden für Nachhaltigkeit – Die Macht der öffentlichen Beschaffung diskutiert. Mit dabei: IÖW-Gesellschafterin Ria Müller aus dem Referat Klimaschutz und Nachhaltigkeit des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz des Landes Brandenburg.

Überblick zum Kongress

Anhörung im Bundestag zum ökologischen Fußabdruck des IKT-Sektors

Nach Einschätzung von Professor Tilman Santarius, Fellow am IÖW und Professor an der TU Berlin, leistet Digitalisierung derzeit keinen Beitrag zu einem 1,5 Grad-Ziel. In der Anhörung zu Digitalisierung und Nachhaltigkeit im Ausschuss für Digitales im Deutschen Bundestag am 28. November 2022 urteilte er, dass Digitalisierung eher noch eine Triebkraft für mehr Ressourcenverbräuche und mehr Emissionen sei und forderte: „Wir müssen diesen Trend umkehren.“ Dazu müsse der ökologische Fußabdruck des IKT-Sektors gesenkt werden. Außerdem sprach sich Santarius dafür aus, in die laufenden digitalpolitischen Initiativen Nachhaltigkeitsziele zu integrieren.

Pressemitteilung Infos zur Anhörung Stellungnahme Tilman Santarius

Ausschreibung: BUND-Forschungspreis für Nachhaltige Entwicklung 2023

Der BUND lobt zum siebten Mal einen Preis aus, der für Forschung zur Nachhaltigen Entwicklung vergeben wird. Damit soll dieses Thema gestärkt werden und die öffentliche Aufmerksamkeit für wissenschaftliche Leistungen in diesem Bereich erhöht werden. Mit diesem Preis will der BUND herausragende Leistungen anerkennen und insgesamt zu einer stärkeren Ausrichtung des Wissenschaftssystems an den großen gesellschaftlichen Herausforderungen beitragen. Damit sollen auch wertvolle Grundlagen für praktische Natur- und Umweltschutzaktivitäten gelegt und gefördert werden.
Bewerbungen können eingereicht werden bis 15. Januar 2023.

Zur Ausschreibung

Impressum

Institut für ökologische Wirtschaftsforschung GmbH (gemeinnützig)
Potsdamer Str. 105 | D-10785 Berlin
Telefon: +49-(0)30 - 884 59 4-0 | Fax: +49-(0)30 - 882 54 39

E-Mail: mailbox@ioew.de
Das IÖW bei Twitter: www.twitter.com/ioew_de

Redaktion: Richard Harnisch, Philipp Spahn

Anmeldung zum IÖW-Newsletter-Abonnement