Wasserstoff gilt häufig als Allheilmittel: In Zukunft könnte er etwa das Stromnetz stabilisieren, wenn die Sonne nicht scheint oder kein Wind weht, um Energie zu erzeugen. Auch Flugzeuge, Schiffe, Fahrzeuge oder Heizungen könnten mit Wasserstoff betrieben werden. Den Bedarf für diese Szenarien kann „grüner“ klimaneutraler Wasserstoff jedoch nicht decken. Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift »Ökologisches Wirtschaften« wägt Chancen und Grenzen des Energieträgers ab: „Während Wasserstoff durchaus zu Recht als Hoffnungsträger gilt, beschäftigt sich dieser Schwerpunkt mit Fragen zu Herstellung, Verfügbarkeit und Kosten, sinnvollen Nutzungssektoren, der deutschen Wasserstoffpolitik, Importen und der Frage der Wasserverfügbarkeit für die Herstellung von H₂“, so Bernd Hirschl und Florian Kern in der Einführung.
Nachhaltiger Wasserstoff ist knapp
Wasserstoff ist ein zentrales klima-, energie- und industriepolitisches Thema. Damit kann er potenziell in vielen verschiedenen Bereichen angewendet und zu einem wichtigen Energieträger im Energiesystem der Zukunft werden. Jens Clausens Beitrag „Wasserstoff als versatiler Energieträger und knappes Gut“ geht der Frage nach, wie viel Wasserstoff ab wann verfügbar sein wird.
Seit 2020 gibt es eine nationale Wasserstoffstrategie. Sie legt fest, wie Wasserstoff in Deutschland produziert, transportiert und genutzt wird. „Grüner“ Wasserstoff ist absehbar knapp und teuer, daher sollte die Strategie Anwendungsbereiche priorisieren, fordern Frieder Schmelzle und Florian Kern in ihrem Überblick zur „Rolle der nationalen Wasserstoffstrategie für eine effiziente Dekarbonisierung in Deutschland“.
Laut der deutschen Wasserstoffstrategie sollen 50 bis 70 Prozent des Wasserstoffbedarfs importiert werden – auch aus dem Globalen Süden. Die Produktion ist jedoch umstritten und mit sozial-ökologischen Risiken verbunden: „Eine gerechte Wasserstoff-Governance muss hierauf Antworten entwickeln“, so Franziska Müller et al. in ihrem Artikel zu Wasserstoffzukünften.
Zukunftsenergie oder fossile Falle?
Die Bundesregierung hat sich in ihrer Überarbeitung der nationalen Wasserstoffstrategie 2023 neben klimaneutralem Wasserstoff für die Nutzung von „blauem“ H₂ geöffnet. Luisa Keßler wägt ab, ob der fossilbasierte Wasserstoff als „notwendiges Übel oder Zementierung fossiler Pfadabhängigkeiten“ einzuschätzen ist.
Im Gegensatz zu „blauem“ Wasserstoff wird „grüner“ Wasserstoff in den meisten Szenarien mittels Elektrolyse und Wasser hergestellt. Geht „Wasserstoff ohne Wasser?!“, fragt Bernd Hirschl. Die Ressource ist bereits heute in manchen Regionen knapp – Wasserstoff wird aber dezentral benötigt. Alternative Rohstoffe und Verfahren könnten das regionale Verfügbarkeitsproblem mindern.
Außerdem in diesem Heft: Mythos Apokalypse und Abfall durch Onlinehandel
Wie wahrscheinlich ist ein gesellschaftlicher Kollaps in Zeiten von Klimawandel und Biodiversitätskrise? Ulrich Petschow geht in „Apokalypse, gesellschaftlicher Kollaps und ,Deep Adaptation’“ auf apokalyptische Grundvorstellungen und die Ausrichtung der Kollapsologie- und „Deep Adaptation“-Bewegungen ein und nimmt eine Verortung vor.
„Weitergeben statt vernichten“, fordern Kevin Kaltenbrunner, Markus Meissner und Christian Pladerer angesichts des Abfalls, der durch den zunehmenden Onlinehandel anfällt. Logistische und abfalltechnische Herausforderungen stehen Anforderungen des Umwelt- und Klimaschutzes sowie der Kreislaufwirtschaft gegenüber.
Zur Online-Ausgabe von Ökologisches Wirtschaften 2/2024
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