Sollten Immobilienbesitzer*innen eine Entschädigung erhalten, wenn in ihrer Nähe Windräder gebaut werden, obwohl dies bei anderen Infrastrukturmaßnahmen wie Stromleitungen, Straßen, Schienen oder Industrieanlagen bewusst nicht üblich ist? Nein – so entschied der Ausschuss für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des nordrhein-westfälischen Landtags am 7. Mai 2025 mehrheitlich. Einen Monat zuvor hatte der Ausschuss Sachverständige angehört, unter anderem Dr. Steven Salecki vom IÖW. In seinem Statement am 8. April 2025 betonte der Volkswirt: Die Vorteile, die Windenergieanlagen für die gesamte regionale Bevölkerung haben – inklusive der Hausbesitzer*innen – überwiegen deutlich.
Positive Effekte auf Region und Anwohnende
Wer nur die negativen Auswirkungen von Windrädern betrachtet, zeichnet ein einseitiges Bild: Unberücksichtigt bleiben die positiven Effekte der Windenergieanlagen auf die Standortregionen und die lokale Bevölkerung, einschließlich der Wohnimmobilieneigentümer*innen. Zum Beispiel ist es auch in ihrem Interesse, eine krisensichere und preisgünstige Energieversorgung zu genießen. Dafür ist ein Zuwachs an dezentraler erneuerbarer Energie nötig.
Zahlreiche IÖW-Studien belegen zudem, dass die regionalen Wirtschaftskreisläufe auf verschiedenste Weise profitieren. Neben Aufträgen für regionale Unternehmen, die damit Arbeitsplätze sichern, verzeichnen auch die kommunalen Kassen Gewerbe- und Einkommensteuereinnahmen. In NRW müssen Kommunen laut Bürgerenergiegesetz NRW die vereinnahmten Zahlungen von Windanlagenbetreibern zum Beispiel für Infrastrukturmaßnahmen, Kultur- und Bildungsmaßnahmen und die kommunale Bauleit- und Wärmeplanung einsetzen. So kommt der Nutzen in der Breite der Bevölkerung an.
Hoffnungsträger vor allem für Kohleregionen
Dr. Steven Salecki erforscht seit vielen Jahren, wie sich der Ausbau erneuerbarer Energie regionalwirtschaftlich auswirkt, gerade auch in Strukturwandelregionen: „In NRW gibt es mehrere Kohlereviere. Hier kann sich ein Zubau an Windenergie besonders positiv auswirken, weil diese Regionen auf ihren zahlreichen energiewirtschaftlichen Verflechtungen aufbauen können und so ihren Charakter als Energieregion beibehalten können.“
Rechenbeispiel aus dem Land Brandenburg: Für die Lausitz ist zu erwarten, dass einzelne Wirtschaftszweige durch die Energiewende ihre Bruttowertschöpfung um fast 9 Prozent steigern können und die Steuereinnahmekraft der Standortkommunen im gesamten Revier um 8 Prozent steigen kann. Die Energiewendeaktivitäten könnten bis 2040 so viele Jobs schaffen, dass sie bis zu ein Prozent der gesamten Erwerbstätigkeit ausmachen würden. Für einen einzelnen Wirtschaftszweig ist das ein signifikant hoher Anteil. Diese Werte umfassen noch nicht die indirekten Auswirkungen auf Zuliefererbetriebe.
Ist der Wertverlust von Immobilien also zu vernachlässigen?
„Eine Abwägung der Einzelinteressen auf der einen Seite mit den umfassenden regionalwirtschaftlichen Potenzialen auf der anderen ist komplex“, so Salecki. Mehrere aktuelle Studien schätzen die preisdrückende Wirkung der Windräder auf umliegende Immobilien jedoch gering ein. Mit steigendem Abstand zu Windenergieanlagen sowie wenige Jahre nach dem Bau der Anlage seien sie kaum bis gar nicht mehr vorhanden (siehe Guo et al. 2024, Brunner et al. 2024 sowie Eichholtz et al. 2021).
Salecki schließt: „Von allem, was die Forschung aktuell weiß, überwiegen die Vorteile für die gesamte regionale Bevölkerung bei weitem die Nachteile für einzelne Bevölkerungsgruppen. Zumal die direkten Auswirkungen von Windenergieanlagen auf Anwohnende in gesetzlich geregelten Umweltverträglichkeitsprüfungen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz bereits systematisch abgedeckt sind.“
Am 7. Mai wertete der Ausschuss die Anhörung aus und stimmte ab. Alle Fraktionen mit Ausnahme der AfD lehnten es ab, Entschädigungszahlungen einzuführen.
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