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Studie: Wachstumsraten von zwei bis drei Prozent in reifen Volkswirtschaften sind ein Mythos

Volkswirtschaften wachsen exponentiell. Diese Grundannahme vieler ökonomischer Modelle trifft für zahlreiche Industrieländer nicht zu. Neue Auswertungen wirtschaftlicher Daten der Jahre 1960 bis 2013 zeigen, dass die Wirtschaft in vielen Ländern Europas sowie in Kanada und den USA in diesem Zeitraum eher linear gewachsen ist. Das bedeutet, dass die jährlichen Wachstumsraten schrumpfen. Die Studie „Do Mature Economies Grow Exponentially?“ von Volkswirten des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung und der Universität Göttingen kommt zu dem Fazit, dass Wachstumsraten von zwei bis drei Prozent, wie sie häufig angenommen werden, in reifen Volkswirtschaften ein Mythos sind. Die Untersuchung ist in der Fachzeitschrift „Ecological Economics“ erschienen.

Wirtschaftspolitik muss sich auf geringeres Wirtschaftswachstum einstellen

In ihrer Untersuchung haben die Wissenschaftler Wirtschaftsdaten von 14 Ländern Europas sowie von Kanada, den USA, Australien und Neuseeland analysiert. Elf Länder wuchsen seit 1960 demnach eher linear, das heißt mit abnehmenden Wachstumsraten. Nur sieben Länder zeigten exponentielles Wachstum, wobei die Mehrheit davon mit einer geringen Rate wuchs. Nur Neuseeland wuchs exponentiell mit höheren Raten.

In den Wirtschaftswissenschaften und in der Wirtschaftspolitik wird meist davon ausgegangen, dass Volkswirtschaften mit einer bestimmten „Rate“ wachsen. Auf dieser Annahme basiert ein Großteil volkswirtschaftlicher Modelle und viele wirtschaftspolitischen Maßnahmen.

„Die empirischen Erkenntnisse legen nahe, dass sich sowohl in der Wirtschaftspolitik als auch in den Modellen der Wirtschaftswissenschaften etwas verändern muss“, sagt Hauptautor Steffen Lange vom IÖW. „Es muss damit gerechnet werden, dass das Wachstum prozentual gesehen weiter abnimmt. Die Politik zum Arbeitsmarkt, zur Finanzierung der Sozialversicherungssysteme, zu staatlichen Einnahmen und Ausgaben sowie zur Verteilung muss an diesen Trend angepasst werden.“

Ökonomische Modelle können diese Abweichung vom erwarteten Wachstum bislang nicht hinreichend abbilden, kritisieren die Autoren. Es sei höchste Zeit, dass die Wirtschaftswissenschaften nicht-exponentielles Wachstum besser erklären.

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Tabelle: Wirtschaftswachstum in reifen Volkswirtschaften – in der Mehrzahl der Länder eher linear als exponentiell (Quelle: Lange/Pütz/Kopp 2018)

Lineares WachstumExponentielles Wachstum

Belgien

Dänemark

Finnland

Frankreich

Kanada

Niederlande

Norwegen

Österreich

Portugal

Spanien

USA

Niedriges Wachstum (< 1,3 %):

Australien

Großbritannien

Luxemburg

Schweden

Schweiz

Höheres Wachstum (> 1,3 %):

Neuseeland

 

Die Daten zu Italien waren statistisch nicht eindeutig.

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Bibliographische Daten:

Steffen Lange, Peter Pütz, Thomas Kopp (2018):
Do Mature Economies Grow Exponentially?
Ecological Economics, Volume 147, May 2018, Pages 123-133
https://doi.org/10.1016/j.ecolecon.2018.01.011
 

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Fachliche Ansprechperson:

Institut für ökologische Wirtschaftsforschung
Dr. Steffen Lange
steffen.lange(at)ioew.de

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