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Wandel am Limit. Und jetzt? – Tagung von IÖW und VÖW exploriert Antworten

Auftaktpanel der Tagung „Wandel am Limit. Und jetzt?“ mit Impuls von Katja Kipping (Foto: Gordon Welters/IÖW)

Wie lässt sich gesellschaftlicher Wandel gestalten, wenn die Krisen zunehmen und das Vertrauen in politische Prozesse schwindet? Diese Frage stand im Mittelpunkt der Tagung „Wandel am Limit. Und jetzt?“, zu der das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung und die Vereinigung für ökologische Wirtschaftsforschung am 9. Oktober 2025 nach Berlin eingeladen hatten. Rund 120 Teilnehmende aus Forschung, Politik, Zivilgesellschaft und Medien explorierten Wege, sozialen und ökologischen Wandel gerecht, demokratisch und gemeinsam voranzubringen.

Aufbruch trotz Ratlosigkeit

Zum Auftakt sprach Thomas Korbun, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des IÖW, über das „geteilte Gefühl von Ratlosigkeit“ angesichts multipler Krisen – von Klima bis Demokratie. Dennoch, so Korbun, herrsche am IÖW positive Energie, „weil wir die richtigen Themen und Partner haben“. Es gehe darum, die Geschichte des Wandels anders zu erzählen und gemeinsam Wege zu finden, wie das Schiff wieder Fahrt aufnimmt, so Korbun.

Laudatio: 40 Jahre IÖW und VÖW – unbequem, verbindend, humorvoll

In seiner Laudatio zum 40-jährigen Jubiläum von IÖW und VÖW würdigte Professor Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR), das Institut als „Silberrücken mit Haltung“. Seit seinen Anfängen in Zeiten der „Bioladenromantik“ haben IÖW und VÖW immer wieder gesellschaftliche Debatten geprägt – von der ökologischen Ökonomie bis zur sozialen Innovation. 

Niebert empfahl mehr Bescheidenheit im Transformationsdiskurs: „Transformation klingt wie ein Zauberspruch, aber sie macht vielen Angst.“ Entscheidend sei, weniger über das Was, sondern mehr über das Wie nachzudenken – mit konkreten Antworten und nah an den Menschen. Sein Wunsch an das IÖW: „Bleibt unbequem, bleibt verbindend und bleibt humorvoll.“

Transformation zwischen Mut und Überforderung

Im anschließenden Panel diskutierten Katja Kipping, Geschäftsführerin des Paritätischen Gesamtverbandes, Dagmar Schmidt, Vorstandsvorsitzende des Vereins Lausitzer Perspektiven, DNR-Präsident Kai Niebert und IÖW-Transformationsforscher Florian Kern über die politische, soziale und wirtschaftliche Steuerung von Transformation. Kipping betonte die enge Verzahnung von Klima- und Sozialpolitik. Es brauche eine politische Rahmensetzung, damit Engagement für Klimaschutz nicht zur finanziellen Belastung werde. 

Schmidt verwies auf die Herausforderungen in strukturschwachen Regionen, wo die Menschen den Staat als nicht handlungsfähig wahrnähmen. Niebert mahnte an, Transformationsängste ernst zu nehmen und soziale Infrastrukturen zu stärken. Kern unterstrich, dass Transformation immer politisch sei und aktiv gesteuert werden muss, um Gewinner und Verlierer auszugleichen. Er hob hervor, dass der Status quo alles andere als gerecht sei und dass die Transformation die Chance eröffnet, die Zukunft besser und gerechter zu gestalten.

Einigkeit herrschte darüber, dass neue Allianzen nötig sind – auch unbequeme. Kipping warb für „emotionale Türöffner“ und Gesprächsbereitschaft über die eigenen Milieus hinaus. „In der Sache“ brauche es Entschiedenheit bei der Regulation und keine Angst vor der Lobby. In Alltagsgesprächen hingegen sollten die Menschen sich mehr mit Milde, Verständnis, Lockerheit und Lachen begegnen und darüber „freuen, dass wir unterschiedlich sind“, so Kipping.

Emotionen zulassen, unbequeme Bündnisse wagen

Jasmin Scholtbach vom youpan-Jugendforum, Simon Teune vom Institut für Protest- und Bewegungsforschung, Baro Vicenta Ra Gabbert von Greenpeace Deutschland und Lukas Scholle, Chefredakteur des Magazins Surplus, reflektierten über die Tagung mit ihren drei explorativen Workshopsträngen zu Gerechtigkeit und Solidarität im Wandel, demokratischen Innovationen in polarisierten Zeiten sowie zu alternativem Wirtschaften in der Krise. 

Teune warnte vor einem „demokratischen Substanzverlust“ und rief dazu auf, Bündnisse über Sektoren hinweg – auch mit dem Journalismus – zu stärken und demokratiepolitisch neu auszurichten. Gabbert plädierte dafür, Räume für Emotionen zu bieten und einfache Sprache zu verwenden, um dazu beizutragen, dass die Zivilgesellschaft zusammenhält. Scholle hob die wirtschaftspolitische Dimension hervor: Akteure des alternativen Wirtschaftens müssten vorbereitet sein, wenn sich Zeitfenster für bessere Rahmenbedingungen öffnen. Scholtbach betonte die Bedeutung von Bildung für Nachhaltige Entwicklung für die Vermittlung von Gestaltungskompetenzen in Wandelsprozessen.

Die Tagung machte deutlich: Gesellschaftlicher Wandel braucht Zuversicht, Dialog und handlungsfähige Strukturen – aber auch den Mut, neue und unbequeme Bündnisse zu wagen. 

Zum Fotoalbum der Tagung