Menü image/svg+xml

Wie können Städte klimaresilienter werden? Eine Forschungsreise von Katowice nach Paris

Stadtgrün und Verkehrsberuhigung in Łódź und Wrocław; Klimafreundliche Quartiere mit solarer Energieerzeugung und Fahrradstraßen in Grenoble ©Johannes Rupp

Wie gehen Städte außerhalb Deutschlands mit der Herausforderung um, ihre Treibhausgase zu mindern und sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen? Wo legen sie ihre Schwerpunkte in der Realisierung klimafreundlicher Quartiere? Was bewegt die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung, Planungspraxis, Wissenschaft und Zivilgesellschaft? Mit diesen Fragen befasste sich Johannes Rupp, der am IÖW zum Thema Klimaanpassung und Klimaschutz in Kommunen arbeitet, im Herbst 2022 auf einer Forschungsreise von Katowice nach Paris. Weitere Stationen seiner Reise waren Łódź, Kraków und Wrocław in Polen, sowie Grenoble und Marseille in Frankreich. Ziel war es, jenseits des Projektalltags Eindrücke und Erkenntnisse zu sammeln, die in seine weitere Arbeit einfließen und diese befruchten. Dazu führte er Gespräche mit verschiedenen Akteuren und besuchte Projekte, die sich mit klimafreundlichen Quartieren oder Stadtgrün befassen. Der Austausch zeigt: In Frankreich und Polen gibt es ähnliche Herausforderungen wie in Deutschland, um Städte klimafreundlich umzugestalten.

Städtische Klimaneutralität: Klimaviertel in Kraków und traditionelle Gebäudekühlung in Marseille 

In den zwei Monaten seiner Forschungsreise besuchte Johannes Rupp zahlreiche Quartiere, wie etwa in Grenoble und Marseille sogenannte Ecoquartiers: Die Neubauquartiere haben den Anspruch, erneuerbare Energien zu erzeugen, Flächen für viel Grün und zum Regenwasserrückhalt bereitzustellen sowie eine gute öffentliche Verkehrsanbindung und hohe Aufenthaltsqualität zu bieten. Anders sieht es in den besuchten Städten häufig in Bestandsvierteln und – aufgrund des Denkmalschutzes – vor allem in Altbauquartieren aus: Wie lassen sich die Gebäude aus Zeiten von Jugendstil und der Moderne energetisch sanieren, Dächer und Fassaden begrünen oder der Autoverkehr reduzieren? Und wie lässt sich das mit Rückhalt in der Bevölkerung, bei Gebäudeeigentümer*innen und der Wirtschaft umsetzen? Ein inspirierender Lösungsansatz war für Johannes Rupp etwa die Ausweisung eines Klimaviertels in Kraków: Hier soll exemplarisch gezeigt werden, wie ein Umbau im Bestand erfolgen kann – durch weniger Individualverkehr und dafür mehr Grün und Aufenthaltsqualität. Auch großflächige Photovoltaikanlagen auf Dächern in Katowice oder Vorrangstraßen für Fahrräder in Grenoble sind Positivbeispiele. „Ebenfalls beeindruckend war die traditionelle Kühlung von Gebäuden in Marseille durch natürliche Lüftungssysteme anstelle von Klimaanlagen“, so der IÖW-Wissenschaftler.

Neue Konzepte für mehr Stadtgrün

Insbesondere in den polnischen Städten und in Paris waren vielfältige Formen von Stadtgrün ein Forschungsschwerpunkt der Reise. Begrünte Verkehrsachsen und Parks verbessern die Lebensqualität und sorgen aus klimatischer Sicht für Kühlung und den Rückhalt von Regenwasser im Umgang mit Hitze und Starkregenereignissen. In Polen ist vor allem die Luftreinhaltung durch Stadtgrün zentral, bedingt durch die vielerorts noch vorhandenen Kohleöfen und den Verkehr. Weitere Motivationen für mehr Grün sind die Aufwertung von innenstädtischen Quartieren, die Schaffung von Orten der Erholung und Begegnung sowie der lokale Anbau von Obst und Gemüse. Die besuchten Städte legen unterschiedliche Schwerpunkte bei der Stadtbegrünung: In Łódź geht es vor allem um die Pflanzung von Bäumen, kombiniert mit der Verkehrsberuhigung einzelner Straßen. Hier lernte Johannes Rupp das Konzept Woonerf kennen – einen Ansatz, der verschiedene Mobilitätsformen mit Stadtgrün kombiniert. In Kraków beobachtete er, wie die Erreichbarkeit von Grünflächen für die Bewohner*innen erhöht wird, indem kleine Parks – sogenannte Pocket-Parks – entwickelt und Nachbarschaftsgärten gefördert werden.

Während seines Forschungsaufenthalts tauschte sich Johannes Rupp mit zahlreichen Projekten und Akteuren aus: In Katowice machte er etwa mit der Verantwortlichen für bürgerschaftliche Projekte eine Radtour durch die Stadt und erfuhr von neuen städtischen Partizipationskonzepten: „Geht es darum, niedrigschwelliges Grün zu schaffen und die Bürger*innen zu aktivieren, ist ein zur Verfügung gestelltes Bürgerbudget ein interessanter Ansatz. Damit werden in polnischen und französischen Städten etwa das Anlegen von Hochbeeten, der Bau von Sitzmobiliar und die Pflanzung von Bäumen gefördert“. Auch in Paris fand der IÖW-Forscher neue Anstöße für seine Arbeit: „Beeindruckend waren die Anlage von grünen Korridoren auf ehemaligen Bahntrassen, ebenso wie der Besuch einer auf Stoffkreisläufe ausgerichteten Stadtfarm und einer vertikalen, mehrgeschossigen Indoor-Farm“. Auf seiner Reise waren konkrete Projekte zu Fassaden- und Dachbegrünung allerdings weniger präsent. Hier sieht Johannes Rupp noch Bedarf an Information und Aufklärung.

Klimaresilienz in Städten: ähnliche Herausforderungen wie in Deutschland

Die Forschungsreise hat gezeigt, dass die Klimaresilienz in Städten eine gemeinsame Aufgabe für verschiedene Akteure ist. In den Gesprächen mit Vertreter*innen aus Politik und Verwaltung sowie der Planungspraxis, Wissenschaft und Zivilgesellschaft wurde deutlich, dass es in Polen und Frankreich vergleichbare Herausforderungen wie in Deutschland gibt, um Städte klimaresilienter zu machen. Dies zeigte der Austausch zu Visionen, Zielen und zur Umsetzung von Maßnahmen in verschiedenen Themenbereichen, sowie zu Aspekten der Beteiligung, Finanzierung und kommunalen Steuerung. Ebenso gestärkt werden sollte die Zusammenarbeit zwischen einzelnen Ämtern und Akteuren außerhalb der Verwaltung.

Für den Klimawissenschaftler war es eine lehrreiche Reise. Einen Lösungsansatz für klimaresilientere Städte sieht er darin, die Themen Klimaschutz und Klimaanpassung durch integrierte Ansätze mehr zusammenzudenken. Ein Beispiel ist etwa, erneuerbare Energieerzeugung mit verschiedenen Formen der Dachbegrünung zu koppeln. So kann auch die Lebens- und Aufenthaltsqualität in Städten verbessert werden. Dafür sollten sich Akteure innerhalb und außerhalb der Verwaltungen mehr austauschen und zusammenarbeiten – etwa Vertreter*innen der Kommunen mit der Zivilgesellschaft. „Bereichernd waren vor allem die gewonnenen Impulse und Erkenntnisse durch meine Gesprächspartner*innen“, so Johannes Rupp rückblickend. „Im Austausch über die Klimaresilienz verschiedener Städte konnte ich meine Erkenntnisse aus der Forschung des IÖW einbringen und bekam neue Anstöße. Jetzt müssen wir durch gemeinsames Handeln dringend schneller in die Umsetzung von Maßnahmen kommen. Dies erfordert auch eine bessere Fehler- und Lernkultur.“

~~~~~~~~~~~~~~~~

Zum Weiterlesen

  • Sechs der sieben besuchten Städte zählen zu den von der Europäischen Union ausgewählten 100 Climate-Neutral and Smart Cities by 2030.
  • Ein weiterer Impuls für die Reise war die Initiative des New European Bauhaus als Baustein des europäischen Green Deal und die Teilnahme an einer Online-Konferenz zum Projekt Advancing the New European Bauhaus. Es hat zum Ziel, sich mit einem nachhaltigen, lebenswerten und inklusiven Stadtleben zu befassen.

Hauptnavigation

Servicenavigation