Reinhard Pfriem legt mit „Kulturelle Evolution und die Hoffnungen auf eine bessere Gesellschaft“ einen Essay über den Zustand der Welt und die Möglichkeiten gesellschaftlicher Veränderung vor. Er reflektiert die Geschichte des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), das er initiiert und mitbegründet hat, und nutzt den Anlass der IÖW-Jubiläumstagung „Wandel am Limit. Und jetzt?“ im Oktober 2025, um eine umfassende Analyse der gegenwärtigen politischen, sozialen und ökologischen Krisen vorzunehmen.
Am Beginn steht eine fundamentale Kritik am humanistischen Fortschrittsglauben, der sich angesichts von Klimakatastrophen, Artensterben, wachsender sozialer Ungleichheit und der globalen Rechtsverschiebung als Illusion entpuppt. Es zeigt sich, wie autoritäre Regime und faschistische Tendenzen weltweit erstarken – oft mit demokratischer Legitimation –, und wie die politische Mitte durch Sprachverschiebungen und ideologische Anpassung selbst zur Normalisierung des Faschismus beiträgt.
Besonders scharf wird die ökologische Zerstörung kritisiert, die trotz internationaler Abkommen wie dem Pariser Klimaabkommen ungebremst voranschreitet. Der Begriff „Klimawandel“ wird als verharmlosend zurückgewiesen – stattdessen sollte von „thermischer Zerstörung“ gesprochen werden. Auch das Artensterben, die soziale Spaltung und die zunehmende Obdachlosigkeit in reichen Ländern wie Deutschland werden als Symptome eines Systems beschrieben, das sich gegen das Gemeinwohl richtet.
Pfriem analysiert die Militarisierung Europas, insbesondere im Kontext des Ukrainekriegs und des Nahostkonflikts, und zeigt auf, wie diplomatische Möglichkeiten systematisch ignoriert wurden. Er warnt vor einem neuen Faschismus, der sich nicht mehr in Uniformen, sondern in digitalen Medien, Antiintellektualismus und kultureller Verrohung manifestiert. Dabei greift er auf Jason Stanleys zehn Merkmale faschistischer Politik zurück und zeigt, wie viele davon bereits Realität sind.
Ein zentrales Anliegen des Textes ist die Kritik an der liberalen Illusion von Demokratie, die sich auf formale Wahlmechanismen beschränkt, aber soziale und kulturelle Substanz vermissen lässt. Pfriem plädiert für eine radikale Demokratisierung, die Teilhabe, soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt stellt.
Trotz der düsteren Diagnose bleibt der Text hoffnungsvoll. Er verweist auf Konzepte wie Chantal Mouffes „Äquivalenzkette“, die heterogene soziale Bewegungen zu einer gemeinsamen politischen Kraft verbinden können. Der Autor fordert einen Kulturkampf für eine bessere Gesellschaft, in dem emotionale Narrative und Geschichten vom guten Leben zentrale Rollen spielen. Hoffnung sei keine naive Erwartung, sondern eine bewusste Entscheidung – ein Akt des Willens gegen die Resignation.
Der Text endet mit einem Appell an die Intellektuellen, sich wieder stärker in gesellschaftliche Debatten einzubringen, und mit einem poetischen Epilog, der die Notwendigkeit unterstreicht, trotz aller Widrigkeiten weiter für Gerechtigkeit, Freiheit und Menschlichkeit zu kämpfen.