Menü image/svg+xml

Auf den Spuren der Prosumer in China und Japan

Diskussion der Prosumer-Entwicklung mit den Mitarbeiter/innen von ISEP, Japan

IÖW-Wissenschaftlerin Dr. Swantje Gährs setzt sich in verschiedenen Projekten mit Energie-Prosumern auseinander, also Personen, die Energie aus erneuerbaren Quellen selbst erzeugen und verbrauchen. Bisher lag ihr Fokus auf Prosumern in Deutschland und Europa. Auf einer Reise nach China und Japan ging sie den Fragen nach, wie Prosuming dort funktioniert und welchen Stellenwert es einnimmt. Sie traf sich mit Vertreter/innen aus Wissenschaft, NGOs, Think Tanks, Politikberatungen und Bürgerinitiativen beider Länder und besuchte Solaranlagen in Ruicheng (China), Sendai und Ueda (Japan). Japan und China sind zwei der weltgrößten Solarstandorte.

China: Prosuming steckt noch in Kinderschuhen

Erster Stopp auf Swantje Gährs Reise war China, das Land mit der weltweit größten installierten Kapazität von Solarenergie. Bisher stehen Photovoltaikanlagen in China vor allem auf großen Freiflächen, Prosuming ist ein neues Phänomen. Erst seit 2013 ist es gesetzlich möglich, Photovoltaik-Anlagen auf Dächern zu installieren und Strom in das Netz einzuspeisen. In den letzten Jahren gerät diese Art der Erzeugung in den Fokus. Grund ist, dass der Netzausbau hinter dem Anlagenausbau zurückgeblieben ist. Prosuming kann dazu beitragen, Netze zu entlasten und mehr Energie aus erneuerbaren Quellen zu nutzen.

Bei Treffen mit Vertreter/innen aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Regierung zeigte sich, dass es vor allem in Chinas Städten bisher schwierig ist, Prosuming zu verbreiten. „Ein Großteil der Dächer eignet sich technisch nicht dafür. In den Städten kommt hinzu, dass viele Menschen in Eigentumswohnungen innerhalb von größeren Gebäuden leben. Dadurch ist unklar, wer über Solaranlagen auf den Dächern entscheiden kann“, fasst Gährs zusammen. Zudem ist die Eigenerzeugung wirtschaftlich unattraktiv: Es fehlen Prämienzahlungen für Strom, der ins Netz eingespeist wird. Weil die chinesischen Strompreise für Privatverbraucher niedrig sind, lohnt sich auch der Eigenverbrauch nicht. „Im Fokus der Regierung stehen eher Energieeffizienzmaßnahmen und größere Anlagen für erneuerbare Energien (EE), die einen schnellen Ausbau ermöglichen, als kleinteilige Konzepte zur Eigenversorgung zu fördern.“ Eine Ausnahme bildet zum Beispiel das „Solar Poverty Alleviation“ Programm. Es soll dazu beitragen, mehr als zwei Millionen arme Haushalte in eine Eigenstromproduktion zu bringen und richtet sich gezielt an die ländlichen Regionen Chinas. Das Programm fördert sowohl Einzel- wie auch Gemeinschaftsanlagen.

Gemeinsam mit dem Beijing Energy Network besuchte Swantje Gährs auf ihrer Reise auch eine der modernsten dezentralen Photovoltaikanlagen Chinas und traf sich mit der lokalen Regierung sowie weiteren chinesischen Vertreter/innen, die sich mit der Energieversorgung vor Ort beschäftigen. In Ruicheng, einer Stadt in der Provinz Shanxi, wird durch Solar- und Windenergie ein Energieüberschuss produziert, der die umliegenden Städte mitversorgt. Zudem nehmen die EE-Anlagen auch an einem ersten Strommarkt in dieser Provinz teil. Swantje Gährs tauschte sich mit den chinesischen Vertreter/innen über die chinesische Energiewende aus und brachte Erkenntnisse aus der Prosumer-Forschung des IÖW ein.

Japan: Land der aufgehenden Sonne(n-Energie)

Von China ging es für Swantje Gährs weiter nach Japan. Seit der nuklearen Katastrophe in Fukushima 2011, ist das Interesse an Erneuerbaren Energien in Japan in den Fokus gerückt. In Folge des Unglücks haben sich viele Initiativen gegründet, die eine nachhaltige Energiewende vorantreiben und sich für lokale und dezentrale Energiegewinnung einsetzen. Ähnlich wie in Deutschland sind in Japan kleine Anlagen mit weniger als einem Megawatt installierter Leistung verbreitet. Das liegt unter anderem daran, dass, anders als etwa in China, Platz für große Anlagen fehlt.

Innovative Initiativen für erneuerbare Energien

In Tokio war Swantje Gährs beim Institute for Sustainable Energy Policies (ISEP) zu Gast, dass seit dem Jahr 2000 zur nachhaltigen Energieerzeugung forscht, lokale EE-Initiativen unterstützt und die Politik zu Handlungsmöglichkeiten berät. In Ueda, in der Präfektur Nagano, nahm sie an einem Workshop des Shinshu Energy Net teil. Die dazugehörige Ueda Bürgerenergie setzt vor Ort das „Solar Helfer“ Programm um. Wenn Hausbesitzer/innen entscheiden, eine Solaranlage zu installieren, beteiligt sich die Ueda Bürgerenergie finanziell an einer Erweiterung der Anlage, so dass die ganze Dachfläche genutzt werden kann. In Gährs Augen ein interessantes Modell: „Es trägt dazu bei, Dachflächen komplett zu nutzen. Auch in Deutschland werden Solaranlagen durch die Attraktivität des Eigenverbrauchs tendenziell kleiner und ein Teil der Dachfläche bleibt ungenutzt. Das Finanzierungsmodell der Ueda Bürgerenergie überträgt die finanzielle Last auf viele Köpfe. Zudem sinken durch die Größe die spezifischen Kosten.“ Ein anderes spannendes Beispiel ist Minden Energy, ein Anbieter, der dezentral produzierte Energie auf dem seit 2015 liberalisierten Strommarkt vertreibt. Das Unternehmen benutzt personalisiertes Marketing: Kund/innen können „ihre“ Anlage auswählen und erfahren, wie die Person aussieht, deren Stromproduktion sie unterstützen.

Insgesamt lässt sich für Swantje Gährs Japan teilweise mit der deutschen Prosumer-Landschaft vergleichen, auch wenn es noch weniger davon gibt als in Deutschland. „Ähnlich wie hier wirken lokale Initiativen auf eine Energiewende hin und ökologisch gesinnte Verbraucher/innen fragen mehr Ökostrom nach. Die fehlende politische Unterstützung und sinkende Einspeisungsvergütungen behindern aber den Ausbau der Solarenergie.“

Prosumer: In Japan eine Graswurzelbewegung, in China noch viele Hindernisse

Für Swantje Gährs war es eine lehrreiche Reise. „Für mich war spannend, welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten es zwischen den Ländern gibt: In China sind viele große Photovoltaikanlagen installiert, aber der schlechte Netzausbau zwingt die Regierung dazu, dezentrale Anlagen zu fördern. In Japan entstammen die Prosumer aus Graswurzelbewegungen.“ Finanziell besteht in Japan ein größerer finanzieller Anreiz, Prosumer zu werden. „Die Einspeisevergütung in Japan und Deutschland fällt höher aus als in China, allerdings sind die Investitionskosten auch deutlich höher.“ Insgesamt ist für sie klar: „Prosumer sind ein wichtiger Bestandteil einer nachhaltigen Energiewende. Sie entlasten die Stromnetze, tragen zu einer dezentraleren Wertschöpfung bei und können den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen. Damit sich ihr Potenzial entfaltet, bedarf es in allen drei Ländern mehr politischer Unterstützung.“

Hauptnavigation

Servicenavigation