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IÖW-Ökonom Ulrich Petschow: „Millioneninvestitionen für Elbvertiefung und Seehäfen viel dringender für Instandhaltung bestehender Verkehrsinfrastruktur benötigt“

Bild: Erich Westendarp/pixelio.de

Die Meldungen über marode Verkehrsinfrastrukturen reißen nicht ab, sei es auf der Schiene, Straße oder zu Wasser. Ein immenser Instandhaltungsbedarf hat sich aufgestaut. Das IÖW hat in einer aktuellen Studie ein besonders problematisches Beispiel dafür untersucht, dass der Infrastrukturbestand vernachlässigt wird, während für Millionen neue Infrastrukturen geschaffen werden: die deutschen Seehäfen sowie Flussvertiefungen. Die deutschen Steuerzahler haben sich am Bau des einzigen deutschen Tiefwasserhafens in Wilhelmshaven beteiligt – insgesamt wurden bereits 1,2 Milliarden Euro in den Bau des JadeWeserPorts investiert, davon 824 Mio. Euro aus Steuergeldern. Das geht aus einer aktuellen Kostenanalyse hervor, die das IÖW im Auftrag des WWF unter Leitung des IÖW-Ökonomen Ulrich Petschow erstellt hat. In dem Hafen können Schiffe bis 16 Meter Tiefgang problemlos abgefertigt werden. Ein weiterer Ausbau von Elbe und Weser ist zwar geplant, doch selbst danach wären die Flüsse noch zu flach für Schiffe dieser Größe.

Belastungen für Steuerzahler

„Unsere Analysen der geplanten Vertiefungen von Elbe und Weser ergeben Ausgaben von bis zu 591 Mio. Euro für die Elbvertiefung sowie ca. 125 Mio. Euro für die Weservertiefung“, so Studienleiter Petschow. Jeweils mehr als die Hälfte dieser Kosten muss von den Steuerzahlern bundesweit getragen werden: 56 % der Kosten für die Elbvertiefung und 62 % der Ausgaben für die Weservertiefung übernimmt der Bund – den Rest die Länder. Gestern machte das Aktionsbündnis Lebendige Tideelbe auf das „Steuergrab Elbvertiefung“ aufmerksam, indem die Verbände symbolisch einen überdimensionalen Geldschein in der Elbe versenkten. „Deutschland kann sich den unkoordinierten Ausbau von drei konkurrierenden Hafenstandorten nicht leisten – weder ökologisch noch ökonomisch“, so das gemeinsame Fazit von BUND, NABU und WWF.

Petschow: „Neue Prioritäten für Finanzierung von Verkehrsinfrastruktur nötig“

„Zugleich sind die öffentlichen Kassen leer und auch die Schuldenbremsen bei Bund und Ländern führen zu weiteren Einschnitten bei den Finanzierungsmöglichkeiten. Vor diesem Hintergrund müssen bei der Finanzierung der Verkehrsinfrastrukturen neue Prioritäten gesetzt werden“, fordert Petschow. „Dem Erhalt der Verkehrsinfrastrukturen muss Priorität eingeräumt werden und die Förderung von parallelen Infrastrukturen beendet werden: Kooperation ist die Herausforderung.“

Kooperieren statt baggern

Eine Alternative zum parallelen Ausbau von Häfen und Flüssen steht bereit: Durch eine Kooperation der drei deutschen Seehäfen können wertvolle Ökosysteme an Elbe und Weser geschützt und Steuergelder eingespart werden. Ein entsprechendes Kooperationsszenario hatte der WWF im Frühjahr vorgestellt. Das Aktionsbündnis "Lebendige Tideelbe" fordert die Länder Hamburg, Bremen und Niedersachsen auf, eine Kooperation ernsthaft zu prüfen. Ebenso sollten sich Hafenbetreiber, Logistiker, Reedereien und Politiker an einer Debatte über eine Ausgestaltung der Seehafenkooperation beteiligen.

Investitionen in Bundeswasserstraßen nötig

„Es wurde zwar schon einiges an Geld für die geplanten Vertiefungen von Weser und Elbe ausgegeben, doch könnte ein Verzicht auf zum jetzigen Zeitpunkt noch immer einen Betrag von insgesamt 570 Mio. Euro an Steuergeldern freisetzen“, sagt Petschow. Dieses Geld stünde dann für dringlichere Infrastrukturprojekte zur Verfügung. Für den Erhalt der Bundeswasserstraßen fehlen jedes Jahr Millionen Euro. Am zeitweise gesperrten Nord-Ostsee-Kanal offenbarte sich jüngst die mangelhafte Unterhaltung der Bundeswasserstraßen. Der Nord-Ostsee-Kanal ist die meistbefahrene künstliche Wasserstraße weltweit. Er spielt auch für den Gütertransport aller deutschen Seehäfen in den baltischen Raum eine unerlässliche Rolle.

Das IÖW und die Elbe

Seit über 20 Jahren führt IÖW-Wissenschaftler Ulrich Petschow Studien zur Elbe durch, in denen er die Ausbaupläne ökonomisch und ökologisch bewertet. Bereits in seinem ersten Elbe-Gutachten „<link publikation_single oekonomisch_oekologische_bewertung_der_elbekanalisierung _blank external link in new>Ökonomisch-ökologische Bewertung der Elbekanalisierung“ kritisierte Petschow im Jahr 1992, dass die Chancen für eine ökologisch orientiertere Wirtschaftsentwicklung vertan werden und stattdessen an der Elbe nun nachgeholt werde, was in anderen Flüssen bereits zu den bekannten negativen Umwelteinwirkungen geführt habe. „Bereits damals stellten wir den verkehrsorientierten Ausbauplänen für die Elbe die Vision eines ‚Stroms mit Zukunft‘ in ökologischer Hinsicht gegenüber. Eine Zukunft, die die ökologischen Bedingungen und landschaftlichen Besonderheiten erhält und auf ‚sanftere‘ Formen der Wirtschaftsentwicklung setzt“, so Petschow. „Noch heute ist diese Vision angesichts der laufenden Planungen aktueller denn je.“

 

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Weitere Informationen:

IÖW-Studie: Infrastrukturfinanzierung der deutschen Seehäfen und Zufahrten (pdf, Kurzfassung)

 

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