Bestehende Konsum- und Produktionssysteme, die natürliche Ressourcen nutzen, um den gesellschaftlichen Bedarf an Nahrung, Wohnraum, Energie und Gesundheit zu decken, sind nicht nachhaltig. Forschende aus soziotechnischen und sozial-ökologischen Disziplinen wollen nun enger zusammenarbeiten, um besser zu verstehen, wie diese Systeme nachhaltiger werden können. Ein Sonderheft der Proceedings of the National Academy of Sciences, das von Forschern der Universität Manchester, des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und der Harvard University herausgegeben wurde, stellt neue Erkenntnisse über Transformationen in Strom-, Ernährungs- und Mobilitätssystemen vor.
In den letzten zehn Jahren hat die Transformationsforschung erhebliche Fortschritte gemacht und neue Erkenntnisse über Dynamiken von Transformationsprozessen geliefert. Die Beiträge im Sonderheft fassen aktuelle Ergebnisse zusammen, arbeiten sie aus und wenden sie auf verschiedene empirische Kontexte an. Die Forschung verlagert sich damit von Nachhaltigkeitszielen und -vorgaben auf die gesellschaftlichen Veränderungsprozesse, die zur Erreichung dieser Ziele beitragen könnten. Das Sonderheft enthält 15 Artikel, die einem breiteren Publikum aus den Nachhaltigkeitswissenschaften, aus Politik und Praxis neue Erkenntnisse über Transformationen vermitteln.
Systemische, langfristige Veränderungen erforderlich
„Die zentrale Herausforderung unserer Zeit besteht darin, die Entwicklung nachhaltig zu gestalten – das heißt, dafür zu sorgen, dass sie das Wohlergehen der Menschen im Hier und Jetzt fördert, ohne die Möglichkeiten der Menschen anderswo oder in der Zukunft in unfairer Weise einzuschränken“, sagt William Clark, Professor an der Harvard University und Direktor des dortigen Sustainability Science Programms. „Das erfordert Transformationen – und damit meinen wir erhebliche, langfristige Veränderungen bei den Akteuren, Institutionen, Technologien und Ressourcen, aus denen sich die Produktions- und Verbrauchssysteme zusammensetzen.“ In den Beiträgen des Sonderhefts werden diese Veränderungen für die Bereiche Elektrizität, Mobilität und Ernährung analysiert. Darüber hinaus befassen sie sich mit Querschnittsthemen wie der Destabilisierung bestehender Systeme, der Rolle von Schocks und der Steuerung von Transformationen.
Kernaspekte der Transitionsforschung: Mehrebenen-Interaktionen, Lösungen, Veränderungsprozesse
„Das Sonderheft leistet drei Beiträge zum Streben nach Nachhaltigkeit: Es hebt die Bedeutung von Wechselwirkungen auf mehreren Ebenen bei nachhaltigen Transformationen hervor, es fokussiert auf Lösungen und leistet eine tiefere und differenziertere Analyse der Veränderungsprozesse“, erklärt Frank Geels, Professor für Nachhaltigkeitstransformationen an der Universität Manchester. „Es ist interessant zu sehen, dass sich die Transformationen in den Bereichen Elektrizität, Mobilität und Ernährung derzeit mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und Tiefe vollziehen. Dies ist auf unterschiedliche technisch-wirtschaftliche Entwicklungen und sozio-politische Aktivitäten zurückzuführen. Im Stromsystem sind sie am weitesten fortgeschritten. Im (Auto-)Mobilitätssystem beginnen sie sich zu entfalten und bei den Ernährungssystemen scheinen sie sich in einer frühen Phase zu befinden.“
Die Beiträge zeigen die Vielschichtigkeit der Nachhaltigkeitsprozesse, die sich nicht auf rein technologische oder wirtschaftliche Erklärungen reduzieren lassen. Stattdessen verdeutlichen sie, wie wichtig es ist, Nachhaltigkeitsübergänge als vielschichtige, systemische, unvollständige und umstrittene Prozesse zu verstehen. Eine wesentliche Rolle spielen dabei Innovationen, die stets von sozialen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen geprägt sind und zu diesen beitragen.
Tiefergehende Transformationen sind langsamer
„Eine der wichtigsten Erkenntnisse aus dem Sonderheft ist, dass es bei den meisten Transformationen eher um die Rekonfiguration als um die Substitution bestehender Systeme geht und dass es Spannungen zwischen der Tiefe und der Geschwindigkeit des Wandels gibt: Je tiefgehender ein Wandel ist, desto schwieriger und langsamer verläuft er meist. Es ist auch wichtig anzuerkennen, dass die Steuerung von Transformationsprozessen hochpolitisch ist und stark politisiert werden kann. Es gibt Gewinner und Verlierer“, erklärt Florian Kern, Transformationsforscher am IÖW in Berlin. „Das Sonderheft zeigt aber auch, wie Transformationsprozesse beschleunigt und in nachhaltigere Bahnen gelenkt werden können. Das ist entscheidend, denn historische Transformationen waren oft langsame, jahrzehntelange Prozesse, während die Zeit heute angesichts der vielfältigen, interagierenden Krisen drängt.“
Das Sonderheft zum Thema „Sustainability Transitions in Consumption-Production Systems“ in den Proceedings of the National Academy of Sciences ist frei zugänglich: https://www.pnas.org/topic/551
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