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Studie: Mit digitalen Technologien die Landwirtschaft ökologisch transformieren?

Die Biodiversität schwindet, der Klimawandel schreitet voran. Die Landwirtschaft gerät immer weiter unter Druck, sowohl Arten- und Tierschutz-, als auch Bodenschutz-, und Klimaschutzmaßnahmen mit hohen Erträgen und der Erzeugung qualitativ hochwertiger Nahrung in Einklang zu bringen. Dabei soll die Digitalisierung des Agrarsektors helfen – ihr wird von Wissenschaft und Praxis eine Schlüsselrolle für den Natur- und Umweltschutz zugeschrieben. Doch die Digitalisierung birgt auch Risiken: Sie könnte eine weitere Intensivierung der Agrarsysteme befördern und eine agrarökologische Transformation der Landwirtschaft erschweren. Eine neue Studie von Wissenschaftler*innen des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und dem Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) zeigt auf, welche Potenziale und Herausforderungen die Digitalisierung der Landwirtschaft für den Natur- und Umweltschutz und insbesondere den Erhalt der Biodiversität mit sich bringt.

Empirische Ergebnisse zu den ökologischen Auswirkungen der Digitalisierung in der Landwirtschaft gibt es bisher nur wenige. Die Analyse der Autor*innen der Studie zeigt jedoch, dass Natur- und Umweltschutz bei der Digitalisierung der Landwirtschaft bisher zumindest kein zentrales Anliegen ist, sondern Ertrags- und Profitsteigerungen sowie Arbeitserleichterungen im Mittelpunkt stehen.

Digitalisierung der Landwirtschaft schreitet auch in Deutschland voran

Die Digitalisierung der Landwirtschaft ist in den Industriestaaten auf dem Vormarsch. Auch in Deutschland kommen bereits jetzt in einer Großzahl landwirtschaftlicher Betriebe digitale Technologien oder Anwendungen zum Einsatz. Hierzu zählen unter anderem Lenk- und Fahrerassistenzsysteme, vernetzte (Boden-)Sensoren, intelligente Datenmanagementsysteme, drohnenbasierte Bilderkennungssysteme und GPS-gesteuerte Agrarroboter. Die zunehmende Digitalisierung der Landwirtschaft birgt dabei sowohl Potenziale als auch Risiken für den Biodiversitätsschutz.

Wie wirken sich digitale Technologien im Agrarsektor auf die Biodiversität aus?

Eine durch den Einsatz digitaler Technologien gesteigerte Ressourceneffizienz kann Düngemittel und Chemieeinsatz reduzieren, was dem Biodiversitätsschutz zugutekommt. Auch ein verbessertes Monitoring und Tracking umweltbezogener Daten kann biodiversitätsfördernde Maßnahmen erleichtern. Kleinere Feldroboter können zudem die Bodenverdichtung verringern und komplexere Anbausysteme mit höherer Agrobiodiversität ermöglichen. Bisher fehlen jedoch aussagekräftige Analysen zu der Größenordnung der Effekte, die auf die Nutzung von digitalen Technologien zurückzuführen sind.

Risiko: Vielfalt von Agrarstrukturen und Anbausystemen nimmt ab mit ökologisch negativen Auswirkungen

Neben den Chancen, die die Digitalisierung bietet, besteht das Risiko, dass digitale Technologien zur weiteren Intensivierung von Agrarsystemen beitragen und eine agrarökologische Transformation der Landwirtschaft erschweren. Höhere Effizienz kann zudem zu Reboundeffekten führen, wodurch Einsparungen konterkariert würden. Darüber hinaus könnten die erhofften Ressourceneinsparungen in kleinen und mittelständischen Betrieben aufgrund von hohem administrativem Aufwand und hohen Investitionskosten ausbleiben. Auf sozioökonomischer Ebene scheinen die Risiken bislang zu überwiegen. Es zeigt sich eine Tendenz zur Konzentration von infrastruktureller, ökonomischer und datenbasierter Macht, die auch ökologisch negative Auswirkungen, wie weniger vielfältige Agrarstrukturen und Anbausysteme, mit sich bringen könnte.

Der Staat muss die digitale Transformation der Landwirtschaft strategisch lenken

Die Analyse der Wissenschaftler*innen zeigt, dass der Erhalt von Biodiversität und Ökosystemen aktuell kein primäres Ziel der Digitalisierung der Landwirtschaft ist, sondern lediglich einen möglichen Nebeneffekt darstellt. „Insgesamt klafft eine große Lücke zwischen dem theoretisch möglichen Nutzen und dem bislang tatsächlich Beobachtbaren. Die Potenziale der Digitalisierung für Biodiversitätsschutz werden tendenziell vernachlässigt und voraussichtlich ungenutzt bleiben, weil Biodiversitätsschutz bisher ökonomisch nicht ausreichend rentabel ist“, sagt Lea Kliem, Projektleiterin und IÖW-Wissenschaftlerin.

Technologische Entwicklungen im Kontext der Präzisionslandwirtschaft, Smart Farming und Landwirtschaft 4.0, sind als Werkzeuge zu verstehen, die helfen können, biodiversitätsfördernde Ansätze zu verbreiten. Sie tragen jedoch aktuell wenig dazu bei, industriell geprägte Landwirtschaftssysteme grundlegend zu transformieren und können eine größere agrarökologische Transformation gar hemmen. Die Autor*innen empfehlen daher eine strategische staatliche Lenkung der digitalen Transformation der Landwirtschaft, die auf die Nutzung vielversprechender Potenziale für den Natur- und Umweltschutz ausgerichtet ist und potenzielle Risiken gezielt adressiert.

Die Studie ist entstanden im Projekt „Chancen und Risiken der Digitalisierung in der Landwirtschaft aus Sicht des Natur- und Umweltschutzes“ und wurde vom Bundesamt für Naturschutz gefördert.

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Download:

  • Kliem, Lea; Wagner, Josephin; Olk, Christopher; Keßler, Luisa; Lange, Steffen; Krachunova, Tsvetelina; Bellingrath-Kimura, Sonoko (2022): Digitalisierung der Landwirtschaft. Chancen und Risiken für Natur- und Umweltschutz, Schriftenreihe des IÖW 222/22 (PDF 1,8 MB)

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